Warum Aktives Zuhören?
In diesem Artikel geht es darum, aktives Zuhören zu nutzen, um Probleme besser zu verstehen und die eigene Meinung effektiver rüberzubringen. Dazu erhältst du zunächst einige Beispiele, wie und wann du aktives Zuhören anwenden kannst. Zum Schluss erfährst du, welche Schwierigkeiten beim aktiven Zuhören auftreten können und wie du damit umgehen und Frustrationen vermeiden kannst.
Denn in leichtpolitischen Diskussionen ist es oft so: Während die andere Person noch redet, formuliere ich schon meine Antwort im Kopf. Mir fallen sofort tausend Gründe ein, warum falsch ist, was die andere Person sagt. Deshalb möchte ich am liebsten so schnell wie möglich meine überzeugende Sicht der Dinge darlegen. Doch anstatt anschließend darauf einzugehen, beharrt die andere Person auf ihren Standpunkten von vorher und denkt gar nicht daran, meine Punkte zu thematisieren. Nach endlosem hin und her komme ich zu dem Schluss: Sie versteht mich einfach nicht! Sie erzählt nur falsche Sachen, vielleicht ist sie auch einfach zu ideologisch verbohrt – in jedem Fall kann man mit Leuten wie ihr überhaupt nicht diskutieren.
Aktives Zuhören aus gesprächstaktischen Gründen
Das Problem scheint bei solchen Diskussionen oft zu sein, dass die andere Person dich nicht versteht oder dich gar nicht verstehen will. Es gibt jedoch einen relativ simplen Weg, um dieses Problem zu beheben – und der lautet: „Erst verstehen, dann verstanden werden“.1
Denn der anderen Person geht es grundsätzlich genau so wie mir im obigen Beispiel. Auch sie kennt tausend Gründe, um mir zu sagen, dass ich nur Mist erzähle. Auch sie denkt, dass ich ideologisch verbohrt bin, dass mit mir gar keine Diskussion möglich ist.
Aber mit aktivem Zuhören beweise ich dieser Person das Gegenteil. Ich zeige ihr kurz, dass ich sie verstanden habe – einfach damit sie mir nicht wieder und wieder die selbe Sache in anderen Worten erzählen muss – sondern mir zuhören kann, in dem guten Gefühl, dass ich ihre Kritik an meinen Positionen kenne und verstanden habe. Das gibt mir die Möglichkeit, ihr meine Position näher zu bringen, ohne dabei auf taube Ohren zu stoßen.
Aktives Zuhören aus Erkenntnisinteresse
Natürlich kann es auch einfach so interessant sein, der anderen Person zuzuhören. Schließlich schaue ich auch nur durch eine bestimmte Perspektive auf die Welt. Und die andere Person schaut ganz sicher mit einer ganz unterschiedlichen Perspektive darauf. Wenn wir beide auf das selbe Problem schauen, sehen wir unterschiedliche Sachen. Wenn ich ihr nun zuhöre, habe ich die Möglichkeit, ein Problem in seiner Komplexität besser zu verstehen – was wiederum auch meine Argumente schärft.
Nun aber zu der Frage:
Wie kann ich aktiv zuhören?
- Beim aktiven Zuhören richte ich meine Aufmerksamkeit ganz auf meinen Gegenüber. Meine eigenen, während des Zuhörens aufkommenden Gedanken möchte ich nur wahrnehmen, nicht weiter verfolgen – denn das würde mich vom Zuhören ablenken. Ich vertraue darauf, dass ich mich später wieder an diese Gedanken erinnern werde, wenn es meine Zeit ist, zu antworten.
- Anschließend gebe ich die Gedanken meines Gegenübers in eigenen Worten wieder. In meiner Wiedergabe bewerte ich unter keinen Umständen das Gesagte (Negativbeispiele: „Als du das und das meintest, fand ich das ziemlich schwach…“ / „Eine komische Sache, die du noch gesagt hast, war…“). Sätze, die ich stattdessen benutzen kann, sind: „Ich habe dich so verstanden, dass…“, „Ich konnte vor allem drei Sachen mitnehmen und zwar: …“, „Mir schien so, als wäre es dir besonders wichtig, dass…“
- Danach frage ich, ob die Person sich verstanden fühlt. Zum Beispiel mit Formulierungen wie: „Stimmt das?“, „Habe ich dich richtig verstanden?“. Wenn die andere Person das verneint, gebe ich ihr die Möglichkeit, das Gesagte noch einmal richtig zu stellen. Dann wiederhole ich den Vorgang, bis die Person sich verstanden fühlt. Erst wenn die Person bejaht und sich verstanden fühlt, bin ich dran mit sprechen. Ich mache deine Aussagen, erinnere mich an die Gedanken, die mir während des Zuhörens kamen. Dass ich das Gesagte der anderen Person zusammengefasst habe, hilft mir dabei, mich auf die relevanten Aspekte zu fokussieren und überzeugende (Gegen-)Argumente zu schmieden.
Wann nutze ich aktives Zuhören?
Im direkten Umfeld
In jedem (leicht)politischen Gespräch kannst du aktiv zuhören. Auch im Alltag, in der Freundschaft, in der Partnerschaft. Nicht immer ist es sinnvoll, diese Technik anzuwenden, die ja schon etwas komplizierter ist als es in den meisten Alltagssituationen notwendig ist. Aber bei Gesprächen mit Konfliktpotenzial, Gesprächen, in denen viele Emotionen involviert sind und Gesprächen, in denen leicht Missverständnisse aufkommen können, ist es sinnvoll. Probiere es einfach mal aus, wenn zum Beispiel das nächste kontroverse politische Gespräch bei einer Familienfeier ansteht.
Auf der Straße
Oder such dir auf eigene Faust interessante Gesprächssituationen. Gemeinsam mit Freund:innen habe ich schon mehrmals Stände in der Fußgängerzone einer Innenstadt aufgebaut. Mit dabei hatten wir dann Schilder, auf denen stand: „Lass uns reden!“ oder „Kostenloses Zuhören“. Einmal hatten wir auf unserem Tisch ein paar Gläser mit kontroversen Themen beschriften und eine Schale trockener Kichererbsen daneben. Die Passant:innen konnten dann Kichererbsen in die Gläser der Themen füllen, die sie besonders bewegen – was wunderbar als Gesprächseinstieg funktioniert hat. Welchen Effekt das auf die Menschen hat, kann ich nicht beurteilen. Ich finde es für mich nur einfach wichtig, hin uns wieder aus meiner Bubble zu kommen und mit Menschen zu sprechen, die ganz andere Erfahrungen und Ansichten als ich haben.
Online
Falls dich das auch interessiert, ist so ein Stand wirklich eine wunderbare (wenn auch nicht ganz unanstrengende) Sache. Als online-Alternative zu dieser persönlichen Gesprächsform gibt es die Formate „Deutschland spricht“ oder „Europe talks“. Dort kannst du dich, z.B. über die Seiten großer Zeitungen wie ZEIT oder FAZ, anmelden, zu ein paar aktuellen politischen Themen deine Meinung anklicken und bekommst eine:n Gesprächspartner:in vermittelt, der/die unterschiedliche Ansichten zu deinen vertritt.
Feste Formate
In den meisten genannten Fällen ist es so, dass es keine formelle Vereinbarung vorher gibt, dass sich jetzt aktiv zugehört wird. In den meisten Fällen wirst du also einseitig aktiv zuhören – was das aktive Zuhören von deiner Seite aus etwas dynamischer macht, als im obigen Schema beschrieben. Es könnten aber auch Formate geschaffen werden, in denen sich vorab darauf geeinigt wird, sich im Gespräch aktiv zuzuhören.
Ich finde ja, dass Talkshows ein perfekter Ort wären, um das zu machen. Aktuell sind Talkshows leider oft das Gegenteil von aktivem Zuhören – und entsprechend gering ist der Erkenntnisgewinn, wenn sich eine Stunde lang ständig Leute ins Wort fallen und alle am liebsten die ganze Stunde alleine durchmonologisieren würden – unerträglich anzuschauen ist es noch dazu. Also hallo liebe Fernsehschaffenden: Ich wünsche mir eine Talkshow, in der die Teilnehmenden sich gegenseitig aktiv zuhören müssen.
Dir selbst zuhören
Meditation ist interessanterweise auch eine gute Übung im aktiven Zuhören. Vor allem darin, dir selbst zuzuhören. Nach meinem, sehr rudimentären, Verständnis von Meditation geht es darum, mit der Aufmerksamkeit ganz bei mir selbst, meinem Körper, meinem Atem zu sein. Aufkommende Gedanken möchte ich dabei nicht weiter verfolgen, sondern einfach nur wahrnehmen und wieder loslassen. Dies ist der selbe Umgang mit Gedanken wie beim aktiven Zuhören. Auch dort möchte ich die Gedanken, die während des Zuhörens aufkommen, nur wahrnehmen und nicht weiter verfolgen. Meine Aufmerksamkeit richte ich dann in der Meditation wieder auf den Atem, beim aktiven Zuhören wieder auf die Worte meines Gegenübers.
Kritische Reflexion des Aktiven Zuhörens
So gut das aktive Zuhören in der Regel funktioniert. Es klappt nicht immer und es ist auch nicht immer ratsam, es zu tun. Deshalb kommen nun abschließend eine Reihe von Überlegungen zu Problemen des aktiven Zuhörens, damit du dich darauf einstellen und Frustrationen vermeiden kannst.
Endlose Monologe
Manche Leute knabbern einem das Ohr ab. Nur mal ein Beispiel vom vergangenen Wochenende. Ich habe einer Person eine halbe Stunde lang zugehört, hatte unzählige Punkte im Kopf, auf die sie eingegangen ist und die Person springt immer weiter von Punkt zu Punkt. Als dann endlich mal Pause ist, gebe ich ihr meine kurze Zusammenfassung des Gehörten. Sie bejaht, dass sie sich verstanden fühlt. Ich beginne, meine erste Kritik an einem ihrer Punkte zu formulieren – und sie fällt mir nach knapp 30 Sekunden ins Wort. Was soll ich da machen? Ich denke im Nachhinein, es wäre besser gewesen, gar nicht erst das Zuhören so lange auszudehnen, sondern zwischendurch schonmal zu fragen: Wollen wir uns über diesen Punkt unterhalten oder nicht? Oder auch selbst einmal die Person unterbrechen, kurz den letzten Punkt zusammenfassen und dann direkt inhaltliche Kritik äußern. Denn so sprunghaft und unausgewogen kann ein Gespräch nicht stattfinden.
Gespräch vor Publikum
Während es im Privaten fast immer eine gute Idee ist, aktiv zuzuhören, kommt es in der Öffentlichkeit auf die Situation drauf an. Nicht bei allen Menschen ist es ratsam, ihnen in aller Öffentlichkeit aktiv zuzuhören. Von manchen wird das als Bühne verwendet. Eine Politikerin war nach einer Podiumsdiskussion einmal sehr gefrustet und meinte: „Ich habe die ganze Zeit versucht, meinen Gegenüber zu verstehen!“. Dieser ist darauf jedoch gar nicht eingegangen, sondern hat die Zeit genutzt, um seine populistischen Thesen an das Publikum zu richten. In einer öffentlichen Situation kann einseitiges aktives Zuhören dazu führen, dass Thesen unwidersprochen im Raum stehen bleiben – und ihnen gleichzeitig eine große Bühne geboten wird.
Vorurteile und Diskriminierung
Es gibt noch mehr Gründe, weshalb eine Person einen nicht versteht, als dass sie sich selbst einfach (noch) nicht verstanden fühlt. Es kommt vor, dass sie einen gar nicht als Gesprächspartner:in für voll nimmt. Dann denkt sie gar nicht daran, dir zuzuhören – egal wie sehr du ihr zuhörst. Menschen, die solche Diskriminierung nicht erfahren, sollten meiner Meinung nach das, zum Teil unangenehme, Gespräch mit diesen Personen umso mehr suchen – und dabei Hass und Vorurteile abbauen.
Ideologien ändern sich über lange Zeiträume
Meinungen und Ideologien ändern sich nur in einem langfristigen Prozess, dafür reicht ein Gespräch nicht. Ich hatte mal ein langes, höchst Interessantes Gespräch an einem Stand in der Innenstadt, in dem ich nur Fragen gestellt und Aussagen zusammengefasst habe. Allein dadurch hat sich das Gespräch von einem anfänglichen: „Die Ausländer [sic!] müssen alle abgeschoben werden“ zu Äußerungen von Verständnis für die Situation Geflüchteter und konkreten Perspektiven des Zusammenlebens gewandelt. Monate später treffe ich die selbe Person wieder an einem Stand – und sie erzählt ähnlich pauschalisierende Sachen zu anderen Themen und erinnert sich offensichtlich nicht an mich, während ich die Person direkt wiedererkenne. Während auf mich solche Gespräche also immer einen ziemlichen Effekt haben, ist unklar welchen Effekt es auf andere Menschen hat.
Fazit
Aktives Zuhören ist also kein Allheilmittel. Aber ich bin mir sicher: Wenn mehr Menschen öfter aktiv zuhören würden, wäre die Welt ein sehr viel besserer Ort. Du bist herzlich eingeladen, daran mitzuwirken.
Referenz / Weiterlesen
Covey, Stephen R. (2012). Die 3. Alternative. Offenbach: GABAL.
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